Reisebericht Nepal


Von Bärbel Hartan / Oktober 2002


Ziemlich geschafft kommen wir in Doha (Kathar) an und warten auf den Weiterflug. Nicole nickt im Stuhl ein und ich stelle erste Probleme mit der Kamera fest. Sie will den Film nicht ordentlich einziehen! Weiter gehts um 8.45. In Kathmandu kommen wir um 15.30 Uhr Ortszeit an(der Zeitsprung beträgt + 3 ¾ Stunden). Wir blechen unsere 30 Dollar Visum Gebühren und warten noch ewig an diversen Schaltern. Aber die kleinen Visa-Aufkleber im Pass sind ja so furchtbar wichtig! Als einige der Letzten verlassen wir die Ankunftshalle und schauen nach den Koffern! Einsam und alleine stehen sie neben einem Band ... aber sie stehen da! Wie erfreulich!

Und was für ein Wunder auch die Reisebegleiter stehen noch da und warten auf uns (sowie zwei weitere Mitreisende) und begrüßen uns gleich mit Blütenkränzen, die wir um den Hals gehängt kriegen. Wir hören zum ersten Mal den nepalesischen Gruß für alle Tageszeiten und Gelegenheiten: Namaste!

20 Minuten etwa dauert die Fahrt ins Hotel . Überall laufen Männer mit Ziegen an Stricken umher. Wir erfahren, dass wir genau zum Zeitpunkt eines dreitägigen Opferfestes zu Ehren der Göttin Kali angekommen sind : Vollmond im Oktober. Drei Tage lang gibt es überall Massenschlachtungen vor allem in Dakshinkali, einer alten Kultstätte, die wir gleich "morgen" besichtigen werden. Na prima, das geht ja gut los. Ich habe schon ernste Bedenken ob ich das verkrafte und sehe die vielen vielen Ziegen gleich mit ganz anderen Augen. Das asiatische Getümmel schlägt uns gleich in seinen Bann, wir sind superneugierig auf die nächsten Tage. Im Hotel (wo es kräftig nach Mottenkugeln riecht bzw. natürlich nach Räucherstäbchen-Duft!) erfolgt erst mal die Zimmerverteilung. Wir duschen und ruhen ein klein wenig aus, dann gehts zum Abendessen. Es ist recht lecker. Zurück auf dem Zimmer spendiert Nicole die erste Flasche Rotwein und wir stoßen an auf einen schönen Urlaub. Der erste Schluck des Birnenschnapses (zur Desinfektion!) wird auch gleich verdrückt. Was sein muß, muß sein!

Auf abenteuerlichen Wegen und Straßen geht es am nächsten Morgen zum Opferplatz Dakshinkali! Es werden jede Menge Ziegen angeboten und gekauft, an jeder Ecke! Ich sehe einen ganzen Laster voller Tiere ankommen, die dann eine nach der anderen von der Ladefläche springen. Wir erfahren, dass die Ziegen extra für dieses Fest lastwagen-weise aus Tibet eingeführt werden. Und alle nur, damit sie ihr Leben lassen.

In Dakshinkali ist die Hölle los! Busse und jede Menge Motorräder bringen die Nepalis an diesen heiligen Ort. Auf dem düsteren Weg zur Kultstätte werden noch Opfertiere, Blütenketten, Früchte, Gemüse und jede Menge anderer Dinge angeboten. Übrigens werden nur makellose, gesunde männliche Tiere geopfert: Ziegenböcke, Hähne, Erpel, Schafböcke und Wasserbüffel. Hier sind es in der Hauptsache Ziegen, Hühner und ein paar Enten, die ihren letzten Gang antreten. Wie wir es schon in Bali erlebt haben, werden zum Teil auch aus Blättern geflochtene Schalen mit Reis und Blüten geopfert. Eine Ziege zu opfern kostet eine Familie ganz schön viel Geld, 2000 Rupien, das sind etwa 27 Euro.

Zum Glück werden die Tiere nachdem sie geschlachtet wurden und das Blut auf das Abbild der Göttin Kali gespritzt wurde, verwertet. Sie werden gebrüht, in einem riesigen Kessel mit kochendem Wasser, und danach mit nach Hause genommen. Das gibt dann ein Festessen für die ganze Familie. Wir dürfen nicht in den Hof, in dem geopfert wird. Darüber bin ich nicht böse! Schon ringsherum ist das Treiben unglaublich, die Frauen in ihren Saris (hauptsächlich in der Farbe rot, diesem wichtigen Feiertag angemessen), die vielen Männer mit den Opfertieren, die Sadhus, die entweder auf eine Spende warten oder Tikas verteilen. Tikas sind die roten Stirnpunkte, ein Zeichen des Göttlichen. Die rote Tika Farbe wird angerührt mit Joghurt und Reispuder. Diese klebrige dicke Paste kommt dann als Punkt auf die Stirn. Es brennen auch überall kleine Gefäße mit Öl oder es räuchern Duftstäbchen vor sich hin... hier wo so viel Blut fließt bin ich dankbar dafür. Als wir vom Opferplatz die Treppe wieder hinaufgehen, kommen wir an Lepra Kranken vorbei. In Garküchen werden Teigringe im schwimmenden Fett ausgebacken. Einige Leute sitzen auf Hockern bei einem Getränk. Bei den Verkaufsständen stapeln sich die rot-weißen Cola-Kisten. Daß es die aber auch überall auf der Welt gibt. Ich habe wieder Probleme mit der Kamera, denn der erste Film ist längst voll und den zweiten nimmt sie erst nach vielen Versuchen an. Zu Haus werde ich entsetzt sein, wenn ich erfahre, dass dieser neue Film, wie auch noch 10 weitere, nicht belichtet wurden und somit alle Traum-Bilder von den Menschen, Gebäuden, Landschaften verloren sind.

Auf dem Rückweg zum Bus kauft Nicole kleine schmale Glücksbänder, die wir um unsere Handgelenke binden. Nun geht es nach einer kurzen Busfahrt durch ein Dorf. Hier umringen uns schnell die Kinder, wir sind hier offensichtlich die Attraktion! Alle sind freundlich, überall schallt ein Namaste zurück, wenn wir grüßen, auch die Erwachsenen lassen sich bereitwillig fotografieren. Wir treffen eine Frau mit einem 4 Wochen alten Säugling im Schoß an. Das Baby ist sicher zu früh geboren, denn es sieht aus, wie ein Spatz, der aus dem Nest gefallen ist.

Arun, unser Reiseführer, erzählt viel von der komplizierten Götterwelt, Sitten und Gebräuchen. Wir können nicht immer zuhören, denn die Kinder ziehen unsere Aufmerksamkeit auf sich, in der Sonne trocknende Chilis oder kleine Ziegenkinder, die lustig umherspringen. Wir kommen zu einem lamaistischen Tempel: Thodo Rinpoche. Hier sehen wir zum ersten Mal die Gebetsfahnen wehen und kaufen auch gleich welche. 3 dicke Rollen mit den Fahnen kosten 150 Rupien (das sind 2 Euro). Nun geht es zur Chobar Schlucht. Der Bagmati Fluß zwängt sich hier durch eine enge Felsenschlucht. Wir erfahren, dass sich hier der einzige Wasserabfluß aus dem Kathmandu Tal befindet und ich kann mir vorstellen, wie das Wasser hier zu Monsunzeiten rauscht. Von einer schaukelnden Hängebrücke aus schauen wir hinuter. Unten gegenüber liegt ein Tempel (Vishnudevi Tempel- ein tantrisches Heiligtum aus dem Jahre 1675). Um diese Schlucht rankt sich natürlich auch eine Legende. Ein Bodhisatva mit Namen Manjushri soll die Schlucht mit seinem Schwert geschlagen haben, um das mit Wasser bedeckte Tal trockenzulegen.

Es ist schon Mittag und wir fahren wenige Kilometer bis Patan. Hier wird in einem Restaurant Rast gemacht und es gibt wir können es kaum glauben Pommes und Wiener Schnitzel! Die Mittagspause dauert endlose zwei Stunden, und dann endlich geht es los zur Erkundung Patans. Schon nach wenigen Schritten sind wir gefesselt von den Häusern, die Holzaufbauten tragen und von den kleinen dreirädrigen Taxis, den bunten Saris der Frauen und dem prallen Leben ringsum. Auch hier werden viele Opfertiere zum Verkauf angeboten. Bald stehen wir auf dem Durbar Square, dem Palastplatz. Dem Zentrum der Stadt, um das herum sich viele alte Palastgebäude und Tempel gruppieren. Man weiß nicht, wo man zuerst hinschauen soll. Das kann doch gar nicht alles "echt" sein, denke ich in unserer heutigen Zeit! So etwas habe ich bisher höchstens in Filmen gesehen, wenn überhaupt. Die Pagodendächer türmen sich übereinander, exotische Steintempel mit reichhaltigen Verzierungen fesseln unseren Blick, dazwischen das Menschengedrängel, Frauen, die am Boden sitzend Gemüse und Obst verkaufen. Männer mit den eben gekauften Hähnen unter dem Arm. Ein Auto das aussieht, als wäre es einem Film der 50er Jahre entsprungen und drei oder vierköpfige Familien auf einem Motorrad. Es ist ober-exotisch. Nicole und ich sehen uns wortlos vor staunen an. Als wir eine etwas höher gelegene Plattform besteigen und aus halber Höhe in dieses Getümmel und in diese exotische Kulisse hineinschauen haben wir nur noch den Wunsch hier stehen bleiben und schauen, schauen, schauen.

Auch hier müssen wir natürlich weiter. Wir betreten einen Hof in einem Palastgebäude, bestaunen die Holzschnitzereien an den Dachträgern und sehen mit Schaudern die ringsum laufende Rinne, deren Sinn uns klar wird, als Arun erzählt, dass hier einen Tag später 54 Wasserbüffel geschlachtet werden.

Beim weiterlaufen erfahren wir von Arun immer viel Interessantes. Hunde haben in Nepal kein schlechtes Leben. Sie werden als Inkarnationen der Soldaten Shivas geschätzt. Es gibt auch einen Tag den Hundes, an dem sie mit Blumenketten geschmückt werden. Anders hingegen verhält es sich mit Katzen. Sie sind Soldaten der Hexe und daher nicht sehr beliebt. Wir haben auch nur ganz wenige gesehen. Kleinen Kindern werden mit Kajalstiften oft dick die Augen umrandet, was ihnen ein sehr hübsches, exotisches Aussehen verleiht. Das soll zum einen davor schützen, dass sich Fliegen dort niederlassen, zum anderen vor dem "bösen Blick" von Geistern.

Wir sind abends im Hotel von den tausend Eindrücken geschafft und gönnen uns die zweite Hälfte der Flasche Wein. Übrigens haben die Nepalesen einen anderen Kalender demzufolge befinden wir uns im 6. Monat des Jahres 2059.

Wir können ausschlafen, denn die meisten der Reisemitglieder sind um 5 Uhr früh zum Himalaja Rundflug aufgebrochen. Das wollten wir nicht unbedingt mitmachen. Wir hatten kein Zutrauen zu den Flugzeugen. Muß aber wohl alles ganz seriös und sehr schön gewesen sein. Nach Rückkehr der "Flieger" geht es um halb 10 los nach Swayambunath, eine große Tempelanlage nahe Kathmandus und noch dazu die älteste Stupa, die hier zu finden ist. Wir halten zunächst an einem Treppenaufgang. 365 Stufen führen hinauf. Wir begnügen uns mit der Ansicht der am Aufgang aufgestellten Buddha-Figuren. Ein gläubiger Pilger hat sich zur Aufgabe gemacht, sich der Stupa auf dem Boden zu nähern und wirft sich ein ums andere Mal auf den Aspalt, jeweils nur wenige Zentimeter weiter von dem Punkt entfernt, wo er gerade aufgestanden ist. Es wird noch eine Weile dauern, bis er so bei der großen Kuppel angelangt ist.

Wir fahren mit dem Bus bis zu einem dicht unterhalb des Gipfels gelegenen Parkplatz. Von hier können wir das Heiligtum bequem "in Angriff" nehmen. Ein paar halbwilde Affen, die hier ihr Unwesen treiben und sogar einen eigenen Swimming pool haben, erregen unsere Aufmerksamkeit. Einige Stufen geht es hinauf, bis wir im Innenhof der Anlage stehen. Die Fremdartigkeit des Ortes nimmt uns gleich wieder gefangen. Hier wehen hunderte von Gebetsfahnen und die Gebetsmühlen werden unermüdlich ins Kreiseln versetzt. Wir umrunden den eindrucksvollen Bau, von dessen goldenem Kuppelaufbau uns die Augen Buddhas streng anschauen! Sie sind in allen vier Himmelsrichtungen angeordnet den Augen Buddhas entgeht nichts. Um die Anfänge der buddhistischen Anlage ranken sich viele Sagen die weit in mythische Zeiten zurückreichen, aber bewiesen ist ihre Existenz bis ins 5. Jahrhundert hinein. Nebenan befindet sich ein tibetisches Kloster. Wir dürfen es betreten. In einem Raum können wir den Mönchen sogar bei ihren Zeremonien und Gebeten zuschauen. Ein absolutes Gänsehaut-Erlebnis. In einem Nebenraum entzünden wir Butterlampen und empfinden dabei ohne Worte unsere ganz eigenen Gebete und Wünsche.

Viel zu schnell müssen wir diesen heiligen Ort wieder verlassen. Am Ausgang der Anlage gibt es wie sollte es anders sein Souvenirstände und wir erstehen unsere Nepal-T-Shirts.

Nun besuchen wir die Altstadt von Kathmandu. Wie schon in Patan sind wir hingerissen vom Durbar Square, den Palastbauten mit den Pagodendächern, dem Haus der Kumari mit den kunstvoll geschnitzten Fensterrahmen. Die Kumari ist eine lebende Kind-Göttin. Im Alter von 3 bis 4 Jahren aus der Kaste der Goldschmiede von Priestern ausgewählt und einer "Prüfung" unterzogen. So muß die zukünftige Göttin zum Beispiel eine Nacht allein in einem Hof zubringen, der mit abgeschlagenen Tierköpfen übersät ist. Außerdem muß sie die rituelle Schlachtung eines Wasserbüffels direkt vor ihr ohne Angst oder Tränen zu zeigen durchstehen. Wenn sie diese Prüfungen bestanden hat, wird sie zur Kumari und lebt fortan ein Leben im goldenen Käfig. Sie bekommt keine Schulbildung und darf nur 5 mal im Jahr das Haus verlassen. Mit Einsetzen der ersten Monatsblutung ist dann das Leben als Göttin vorbei. Sie wird zu ihrer Familie zurück geschickt und eine neue Kumari wird erwählt. Deshalb bei Einsetzen der Menstruation, weil eine Göttin natürlich weder krank sein, noch bluten darf. Die Mädchen haben, wenn sie wieder in der Familie sind keine besonders guten Aussichten. Männer fürchten sich, sie zur Frau zu nehmen, weil ein wenig von der göttlichen Macht zurückgeblieben sein könnte und da sie keine Ausbildung genossen hat, sind ihre Zukunftsaussichten nicht rosig.

Auf dem Durbar Square von Kathmandu sind die Andenken Verkäufer etwas lästig. Sie kommen mit handgeschnitzten Flöten, Schach-Spielen, Holzfiguren genähten Taschen, Dolchen und anderen Dingen. Natürlich haben sie ein Problem damit, ihre Familien zu ernähren, aber wir können ja nicht jedem irgend was abkaufen! Auf einem kleinen Tempelvorplatz liegt ein frisch geschlachteter Wasserbüffel, dem bereits der Kopf abgetrennt wurde. Wir sind hin und hergerissen zwischen "gucken" und wegschauen vor Entsetzen. Nicole gelingt trotz aller Zwiespälte ein Foto. Ja, wir befinden uns noch immer inmitten des dreitägigen Opferfestes Dasain. Die Mittagspause machen wir in einem Restaurant auf der Dachterrasse. Hier kann ich drei Pins für meinen Rucksack erstehen die Nepal Flagge, ein Nashorn und die "Augen Buddhas". Zum Glück habe ich mich gleich hier entschieden die Pins mitzunehmen, denn ich hab nirgends anderswo noch mal welche gesehen. Der Bus bringt uns nun 10 km weit in nordöstliche Richtung. Hier liegt die kleine Siedlung Budhanilkantha, die eine weitere Sehenswürdigkeit zu bieten hat. Eine 5 m große steinerne Figur des Vishnu Narayana ruht hier auf ineinander verschlungenen Schlangenleibern in einem Wasserbecken. Die im Jahre 642 entstandene Figur gilt als ein Meister-werk der Licchavi-Epoche. Sie symbolisiert Gott Vishnu auf der Welten-schlange, die im uferlosen kosmischen Ozean treibt. Auch dies ist für Hindus und Buddhisten gleichermaßen ein sehr heiliger Ort, an dem ständig Pilger anzutreffen sind. Das Heiligtum ist ummauert und gewährt nur hier und da Einblicke auf den ruhenden Vishnu.

Ein weiteres Highlight erwartet uns Bodnath. Auch hier steht eine riesige Stupa, die größte in Nepal, 40 m hoch. Man darf sie nur links herum umgehen, um das religiöse Empfinden nicht zu stören. Eine Stupa ist übrigens nicht begehbar, die Kuppel ist rundum zugemauert und ist so etwas wie ein Reliquienschrein. Hier ruht die Stupa auf stufenartig ansteigenden Plattformen, anders als die in Swayambunath. Di Stupa von Bodnath ist für die Tibeter der heiligste Ort auf dem Boden Nepals. Hier ist auch der Sitz des Chini Lama, nach dem Dalai Lama und dem Panchen Lama der wichtigste Repräsentant des Tibetischen Reiches. Nebenan ist das tibetische Kloster Shakia, in das wir auch einen Blick werfen dürfen. Nachdem wir die heiligen Stätten in Augenschein genommen haben, spielt Nicole noch erfolgreich mit den Straßenkindern eine Art Roulette, wir kaufen CDs und ich ergattere hier Holzstempel und Räucherstäbchen! Zurück im Hotel sind wir geschafft von den vielen Eindrücken und schreiben fleißig wie die Bienen Postkarten! So kann man wenigstens einen kleinen Teil der Faszination versuchen weiterzugeben. Ich bin so gesättigt von der asiatischen Exotik dass ich folgendes Gedicht verfasse:

Hab mich an Bildern überfressen, Nepal, das ist Exotik pur. Will jetzt 10 Tag lang nichts mehr essen, sondern verdauen nur.

Zurück zur Übersicht